Kann ein Video-Call ein persönliches Gespräch ersetzen?
Nein. Aber alles ist besser als überhaupt kein Kontakt. Wir haben Pandemie-bedingt auch in der Palliativakademie zum Beispiel ganz schnell auf Video-Fortbildungen umgeschaltet. Wohlwissend, dass der direkte Kontakt, bei dem man Stimmungen und Schwingungen spürt, im Persönlichen viel besser ist. Aber man sieht auch bei Videos das Gesicht, die Mimik, die Hände und spürt, wenn etwas wahrhaft und authentisch ist. So kann man eine Berührbarkeit erzeugen, auch wenn digitale Medien dazwischenstehen. Ohne den anderen anzufassen, kann man trotzdem berührt werden von ihm – und man kann ihn berühren.
- Wir müssen Trauer zunächst einmal akzeptieren.
- Und anerkennen, dass Trauerarbeit essentiell ist.
- Trauer online: Trauernde können sich auch auf digitalem Weg aussprechen, ihre Ängste und Sorgen mitteilen.
- Bei aller Flüchtigkeit und Unverbindlichkeit des Internets hat es auch zunehmend diese positiven Seiten.
Trauergruppen, -beratungen und -seminare werden online durchgeführt: Welche Vor-, welche Nachteile hat das in Ihren Augen?
Wenn wir in der Palliativmedizin zum Beispiel Trauergespräche führen, nehmen wir manchmal auch jemanden in den Arm, um eine gewisse persönliche Nähe herzustellen – natürlich stets unter Wahrung der Privatsphäre. Man kann ja hochprofessionell – und Mensch sein. Jemanden mal zu drücken, ist oft viel besser als jede medikamentöse Therapie. Ich sage sogar: Jemand, der das nicht tut, arbeitet nicht professionell, sondern versteckt sich hinter irgend etwas. Jemanden in den Arm zu nehmen – das geht online aber natürlich nicht.
Was online aber geht, ist zusammen zu schweigen …
In der Tat. Gemeinsam zu schweigen oder dem anderen die Möglichkeit zu geben, sich auszusprechen und seine Ängste und Sorgen mitzuteilen, ohne dass er gleich mit einer lösungsorientierten Antwort konfrontiert wird. Denn gleich eine Lösung bekommen, das wollen viele Menschen gar nicht. Aber sie wollen über ihre Ängste und Nöte sprechen. Man kann auch gemeinsam eine Kerze anzünden. Jeder auf seiner Seite des Bildschirms. Dadurch entsteht eine gewisse Spiritualität im Moment. Weil der Moment geteilt wird.
Zeichnet sich in Ihrem Bereich der Palliativmedizin ebenfalls eine Entwicklung hin zum Digitalen ab – über die erwähnten Video-Fortbildungen für Menschen hinaus, die in diesem Bereich arbeiten?
Ich selbst bin bei Facebook und Instagram sehr aktiv. Und ich stelle fest, dass viele Menschen zu uns Kontakt aufnehmen, weil sie bei Facebook etwas über uns gelesen haben – auch über die von uns angebotene spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Über Messenger habe ich häufig erste Kontakte zu Patienten gehabt. Bei aller Flüchtigkeit und Unverbindlichkeit des Internets hat es auch zunehmend diese positiven Seiten. Es gibt eben Fluch und Segen im Netz, in den sozialen Medien.