Interview

Warum wir TrostHelden gegründet haben

Jennifer und Hendrik Lind haben die erste Vermittlung für Trauerfreundschaften gegründet. Mit einem ausgeklügelten Matching bringen sie Trauerfreund:innen zusammen.
TrostHelden-Gründer Jen und Hendrik Lind
TrostHelden-Gründer Jen und Hendrik Lind
Foto: TrostHelden.de

Hallo, ist da jemand?

Interview mit Jennifer und Hendrik Lind, Gründer der weltweit ersten Vermittlung für Trauerfreundschaften

trosthelden.de

Hospizvereine, Trauer-Cafés, sogar ein Bundesverband Trauerbegleitung: Es gibt vieleAngebote für Trauernde. Wozu noch TrostHelden?

Hendrik Lind: TrostHelden ist ein zusätzliches Angebot zur bestehenden Trauerhilfe.

Der Vorteil: Es ist weder orts- noch zeitgebunden. Denn manchmal brauchen trauernde Menschen sofort Hilfe, weil sie die Trauer gerade in dem Moment überkommt. Wenn sich die Trauer-Café-Gruppe aber erst Tage später trifft, was dann?

Mit dem Online-Portal TrostHelden finden Mitglieder Unterstützung bei ihren persönlichen Trauerfreund:innen. Diese individuelle Trauerfreund:in-Vermittlung ist einzigartig.

Dafür habt Ihr erstmals Experten aus Trauerhilfe, Hospizbewegung, Psychologie und digitalem Matching zusammengebracht?

Hendrik: Ein solches Portal lässt sich nur mit der Unterstützung ausgewiesener Fachleute auf die Beine stellen. Zusammen haben die Experten allein fast 100 Jahre Erfahrung in der Hospiz- und Trauerhilfe. Und für das Matching mit dem Fragebogen konnten wir eine der besten Spezialistinnen Deutschlands gewinnen.

Ihr selbst habt ebenfalls eine Menge Erfahrung …

Hendrik: Wir haben bisher rund 7.000 Gespräche mit Trauernden geführt. Dabei stellte sich immer wieder eines heraus: Den Menschen fehlt jemand, der exakt ihre Sprache, also ihre Trauersprache, spricht.

Jennifer Lind: In unserer Firma mapapu, mit der wir mehrere Jahre Trostpuppen aus Kleidungsstücken von Verstorbenen herstellen, hatten sich die Trauernden teilweise auch persönlich kennengelernt. Sie waren so froh, endlich jemanden zu finden, der sie genau versteht. Daraus ist die TrostHelden-Idee geboren, die Idee für die Vermittlung von Trauerfreundschaften, für das Matching.

Sich auf das Trauern einzulassen, sich Zeit dafür zu nehmen, ist in unserer Gesellschaft nicht sehr populär. Gleichzeitig ist dieses riesige Bedürfnis nach Mitgefühl und Beistand da. Das ist ein Widerspruch. Wie erklärt er sich?

Hendrik: Wir sind in einer Kultur großgeworden, die zwei Weltkriege erlebt hat. Unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern haben so viel Tod gesehen, dass sie ihn irgendwann ausblenden mussten. Das war in dieser Zeit ihre einzige seelische Überlebensstrategie. Anders hätten sie gar nicht weiterleben können. Es war für sie eine gute Strategie. Unbewusst haben sie diese Scheuklappen auf ihre Kinder, Enkel, Urenkel übertragen. Doch die Scheuklappen-Strategie funktioniert heute nicht mehr. Wenn wir das Thema Tod und Trauer ignorieren, macht uns das krank. Depressionen sind oftmals lediglich der Anfang.

Die Scheuklappen sind dennoch da …

Jennifer: Klar, denn wenn man sich damit beschäftigt, rückt ins Bewusstsein, dass es jeden Menschen jeden Moment treffen könnte. Also denken viele: bloß nicht hingucken! Aber wenn man einen lieben Menschen verloren hat, dann ist da dieses: Hallo, ist da irgendwo jemand, der mich wirklich versteht?

Jeder wird mit dem Thema Tod früher oder später in seinem Umfeld konfrontiert. Ist TrostHelden eine Einladung zum Hinschauen?

Jennifer: Genau da gehen wir mit TrostHelden ran. Und es muss sich niemand schlechter fühlen, weil er zum Beispiel über den Tod seines Hundes so traurig ist. Ich habe oft Menschen gehört, die gesagt haben: Es war ja nur meine Schwester und nicht mein Kind. Es geht noch viel schlimmer. Aber das, was ist, ist schlimm. Und wenn sich das schlimm anfühlt, dann sollte man schauen, dass man das verarbeitet bekommt. Da darf und sollte jeder seinen Weg gehen dürfen. Es sind ja so krasse, kaum aushaltbare Gefühle, wenn man die Büchse der Pandora öffnet.

Das Wissen um die eigene Sterblichkeit spielt keine Rolle?

Hendrik: Oh doch! Aber uns wurde beigebracht: Tod? Weggucken! Böse. Schlecht. Gefährlich. Weggucken! Lauf!

Jennifer: Die eigene Sterblichkeit macht vielen Angst. Auch weil wir uns mit unserem eigenen Tod zu wenig auseinandersetzen. Wir haben Angst vor dem, was uns – oder auch unsere Lieben – erwartet. Was ist danach? Dabei unterschreiben wir in dem Moment, in dem wir unseren ersten Atemzug machen, dass wir auch den letzten tun werden …

Warum sind so viele Trauer-Traditionen, die wir ja in Deutschland hatten, verloren gegangen?

Jennifer: Früher hatten wir in Deutschland große Familien, die Trauernde unterstützt haben. Ganze Dörfer waren da, die Beistand leisteten. Nachbarn haben für den Trauernden ganz selbstverständlich zwei, drei, vier Wochen gekocht, ihn versorgt. Das ist heute anders. Aber es gibt eine kollektive Erinnerung daran. Die Menschen haben Sehnsucht nach diesem sozialen Netz. Und wir bauen es jetzt mit TrostHelden neu auf. Anders und sehr modern.

Wenn man sagen würde: Trauer braucht eine Anwaltschaft. Kann TrostHelden dieser Anwalt sein?

Jennifer: Einer von mehreren. TrostHelden ist ein Angebot, das für viele Menschen das Richtige sein kann oder ist. Und dann gibt es Menschen, die nicht im Internet unterwegs und die mit ihrer Trauergruppe vor Ort glücklicher sind.

Hendrik: Wir möchten ein zusätzliches Angebot machen und auf keinen Fall die existierende Trauerhilfe ersetzen. Wir möchten damit Hand in Hand gehen.

Ihr sagt, dass durch die Trostgruppen und besonders durch die persönlichen Trostpartner viel Heilung möglich ist. In welcher Hinsicht?

Jennifer: Allein die Trauer anzunehmen, birgt Heilung in sich. Sie wahrnehmen zu können, ins Fühlen, ins Weinen zu kommen, tut vielen Menschen sehr, sehr gut.

Hendrik: Wir Menschen brauchen andere zum Austauschen – und zur gegenseitigen Unterstützung. Das ist in jedem Bereich unseres Lebens so.

Das Portal heißt TrostHelden, weil …?

Jennifer: Zum einen, weil du für dich selber zum Helden werden kannst, indem du dich auf den Weg machst. Das ist für manche schon sehr heldenhaft. Sie lassen die Lähmung hinter sich und sagen: Ich lebe. Und ich möchte leben. Ich möchte, dass es mir gut geht. Und man kann zum Helden für andere werden?

Jennifer: Ja, du kannst andere für dich als Helden nutzen und selber zum Helden für andere werden. Heilung liegt auch darin, seine eigene Tür weit aufzumachen und sich zu zeigen. Um anderen zu helfen. Und wenn du merkst, für den anderen bist du ein Held, was macht das dann mit dir? Das fühlt sich ziemlich gut an.

Was hat das Projekt persönlich mit Euch zu tun?

Hendrik: Diese Arbeit mit Trauernden und für Trauernde ist sehr besonders, sehr erfüllend.

Jennifer: Ich habe gesehen, wie groß die Sehnsucht der Trauernden nach Trost ist. Mir macht es Freude, etwas in diesem Bereich zu bewegen. Was mich am Anfang selbst total überrascht hat: Ich habenirgends so viel Lebensfreude gesehen, wie durch unserer Firma mapapu. Lebensfreude bei den Trauernden selbst. Und bei denen, die mit Trauernden und mit Sterbenden arbeiten. Das war unglaublich.

Woher rührt diese Lebensfreude?

Jennifer: Durch die Akzeptanz, dass Leben und Tod zusammengehören. Zu unseren Workshops kamen die Trauernden mit der Angst, dass sie jetzt zwei Tage lang durchweinen werden. Aber am Ende haben sie stets gesagt: ,Ich hätte ich nie gedacht, dass wir mehr lachen als weinen.' Erinnerungen sind etwas Schönes. Auch wenn sie manchmal traurig machen.

Helfen sich die Trauerfreund:innen nur am Anfang über die schwere Zeit?

Hendrik: Nein, Trauerarbeit geht viel weiter. Vor kurzem sprachen wir mit zwei Frauen, die beide den Partner verloren – und einen neuen Menschen kennengelernt hatten. Da stellten sich plötzlich ganz andere Fragen. Darf ich überhaupt eine neue Partnerschaft eingehen? Darf ich übers Heiraten nachdenken, wo ich mich doch schon einmal versprochen hatte? Darf ich das Foto von meinem ehemaligen Partner in der Wohnung stehen haben? Und die beiden erzählten, wie sehr sie sich bei diesen neu auftauchenden Fragen unterstützen konnten und können … Sie sprechen die gleiche Trauersprache!

Wenn Ihr ganz kurz und knapp sagen solltet, was Ihr für Trauernde mit TrostHelden bewirken möchtet, dann wäre das …

Mut machen, Einsamkeit auflösen, wieder handlungsfähig werden. trosthelden.de unterstützt Menschen, die trauern.

Sie haben Fragen? Melden Sie sich gern bei:

Hendrik Lind
M: hallo@trosthelden.de
T: +49 (0) 172 93 244 83
W: www.trosthelden.de

Trost-Helden GmbH
c/o RSM

August-Bebel-Allee 1
28329 Bremen

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