Das besondere Trauerforum

Hendrik Lind: "Die Trauer wird digital"

Passen Technik und Trauer zusammen? "Ja", sagt Hendrik Lind von TrostHelden, Deutschlands erster Online-Vermittlung für Trauerfreunde. "Das ist die Zukunft!"
 Die Suche nach Trost verlagert sich eindeutig ins Internet.
Die Suche nach Trost verlagert sich eindeutig ins Internet.
Foto: AdobeStock_brankospejs

Trosthelden-Gründer Hendrik Lind im Interview

Online-Trauer gilt als Zukunftsbranche?

Im ersten Moment mag diese Vorstellung manchen Betroffenen vielleicht das Blut in den Adern gefrieren. Doch wenn Trauende spüren, dass sie in ihrer unmittelbaren Umgebung keinen Trost finden, ändert sich das Bild. Dann geht in der Verzweiflung die Suche ins Digitale. Das ist der Zeitgeist.

Technik kann die Trauer nicht beenden …

Aber digitale Angebote helfen, das zu meistern, was nach dem Tod eines Menschen auf die Trauernden zukommt.

TikTok hat den Hashtag GriefTok etabliert, seitdem verzeichnet er Abermillionen Aufrufe …

So ist es. Die Zahlen vervielfältigen sich in rasantem Tempo.

Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie haben immer neue Start-ups sich mit ihren Business-Ideen auch auf das Thema Tod und Trauer im Web fokussiert. Wo geht die Reise hin?

Es wird ein Großunternehmen binnen fünf Jahren entstehen, das alle Bereiche digital abdeckt: vom digitalen Ordnen des Nachlasses über Online-Bestattungen, Todesanzeigen, Gedenkseiten bis hin zu Angeboten für eine psychologische Unterstützung für die Trauernden, um die Trauer zu bearbeiten.

Woran machen Sie das fest?

Die Suche zum Beispiel nach Trost geht in den USA schon jetzt voll ins Digitale. Und Investoren wird klar, was für ein riesiger Markt im Bereich digitaler Trauer gerade entsteht. Dabei muss man zwischen ,death tech' und ,grief tech' unterscheiden.

Worin liegt der Unterschied?

Unter dem Begriff ,death tech' fasst man digitale Lösungen bis zu dem Zeitpunkt, bis der Verstorbene bestattet ist. Dazu gehören Online-Bestattungen mit Online-Aufbahrungen, digitale Trauerfeier-Zeremonien und Todesanzeigen. Digitale Notfallordner für Testamente oder insgesamt den Nachlass, wo etwa der Zugriff auf die Online-Konten des Verstorbenen geregelt ist, zähle ich ebenfalls dazu.

Und ,grief tech'?

Grief bedeutet Trauer im Englischen. Wir haben auch in Deutschland jetzt schon einen Trend, dass Menschen zum Beispiel vermehrt Traueranzeigen online schalten. Auch kondolieren viele inzwischen online. Ein deutsches Start-up hat gar einen Ort im Netz kreiert, wo Trauernde sich an einem virtuellen Ort treffen und gemeinsam dem Verstorbenen gedenken. Es gibt im Internet zudem Gedenkseiten für Verstorbene, wo Menschen Anteilnahmskerzen digital entzünden können …

Es entstehen ganz neue Formen des Gedenkens, wenn im sozialen Netzwerk zum Beispiel auch Erinnerungen oder Fotos von einem Verstorbenen geteilt werden …

In der Tat. Der Vorteil solcher Gedenkseiten ist, dass sie nicht nur von einer Seite befüllt werden. Da alle aus dem persönlichen Netzwerk zum Beispiel Kindheitsfotos hochladen können, entstehen digitale Alben mit unterschiedlichen Fotos und persönlichen Erinnerungen, die vielleicht auch Freunde oder Angehörige vorher noch nicht kannten. Sie vervollständigen das Andenken an den Verstorbenen.

Zu ,grief tech' gehören darüber hinaus Trauergruppen, Trauerseminare, Trauerberatungen – die zunehmend online stattfinden, nicht zuletzt durch Corona …

Die Suche nach Trost und Trauerarbeit geht ganz klar ins Netz.

Sie haben mit trosthelden.de Deutschlands erste Online-Vermittlung für Trauerfreundschaften gegründet, gemeinsam mit Ihrer Frau Jen. Ebenfalls ein digitales Angebot für Trauernde …

Wir wissen aus Gesprächen mit tausenden von Trauernden, dass die Menschen nach dem Tod einer geliebten Person oft keinen Gesprächspartner haben, mit dem sie über ihren Verlust sprechen können. Das soziale Umfeld kann und will sich häufig nicht mit dem Thema Tod und Trauer auseinandersetzen. Die Folge: Der Trauernde fühlt sich mutterseelenallein. Weil niemand seine Sprache spricht, niemand wirklich Verständnis für seine spezielle Situation aufbringt. Also müssen sich Trauernde jemanden anderen suchen, der sie 1:1 versteht. Das ist die TrostHelden-Idee. Bei trosthelden.de finden diese Menschen dank eines ausgeklügelten Matching-Verfahrens, das wir mit Fachleuten aus Trauerbegleitung und Psychologie entwickelt haben, ihre persönliche Trauerfreund:in oder mehrere Trauerfreund:innen.

Ansätze in Sachen digitaler Trauer gibt es also hierzulande. Dennoch hinkt Deutschland nicht nur bei Digitalisierung, sondern auch in der Bereitschaft hinterher, für digitale Inhalte Geld auszugeben.

Das stimmt. Die Deutschen geben für digitale Inhalte ungern Geld aus. Noch. Denn auch wir sind auf dem Weg dahin, dass digitale Inhalte mehr und mehr zu bezahlen sind – durch Einmalbeiträge oder Abos. Der Trend ist eindeutig.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Trauer als Krankheit anerkannt. Das bedeutet, dass auch gesetzliche Krankenkassen in Zukunft eine rechtliche Grundlage haben, Trauernden Angebote zur Trauerbewältigung zu machen, die sie als Krankenkasse zahlen.

Das ist ein Riesenfortschritt. Dadurch wird es eine Vielzahl von Versorgungs-Innovationen für Trauernde im digitalen Bereich geben – Innovationen wie auch TrostHelden eine ist. Denn Trauer ist eine enorme Belastung für Menschen. Und unverarbeitete Trauer ist ein großer Kostenfaktor für die Krankenkassen: durch Fehltage oder zum Beispiel Depressionen.

Sie sagen, dass es schon in fünf Jahren ein einziges Großunternehmen geben wird, das alle Services rund um Tod und Trauer digital und aus einer Hand anbieten wird?

Davon bin ich fest überzeugt. Es wird ein Unternehmen geben, das die gesamte Wertschöpfungskette bedienen wird. Zu der erwähnten Bandbreite von Online-Bestattungsangeboten und psychologischer Unterstützung kommen noch Gelbe Seiten mit Anzeigen aus dem gesamten Bereich Tod und Trauer. Dazu zählen Palliativ- und Hospizeinrichtungen, Bestatter, Bestattungsbedarf, Therapeuten, Trauerbegleitung und Shops für Kondolenzgeschenke o.ä.

Was macht Sie bei der Idee eines Big Players so sicher?

Die Digitalisierung wird ganz klar diesen Bereich umfassen. Es werden bereits enorme Investitionen in diesem Bereich vorgenommen. Und im digitalen Bereich haben sich bis jetzt stets Unternehmen herauskristallisiert, die marktbeherrschend werden. Denken Sie an Google, Amazon, Facebook mit Instagram … Im Internet gibt es die Tendenz: The winner takes it all!

Und ein solches Unternehmen bräuchte nur eine IT-Abteilung, eine App-Entwicklungsabteilung …

… nur einmal Marketing, einmal Vertrieb, einmal Buchhaltung.

Und Sie möchten in diesem Markt ein Wort mitzureden haben?

Wir arbeiten daran. Wir werden in einem ersten Schritt unsere in Deutschland einzigartige Online-Trauerfreund-Vermittlung TrostHelden in die USA bringen. Unser Angebot lässt sich internationalisieren. Unser Algorithmus für das Matching von trauernden Menschen, die als Gesprächspartner perfekt zusammenpassen, kann man im Prinzip überall übernehmen – mit Anpassungen an die jeweiligen Länder und Kulturen. Wir sind bereits in Gesprächen mit ersten Investoren, die das Potenzial erkennen. Und wir sind offen für weitere …

Denn Sie denken noch größer?

Genau. Wir werden sehen, welches Unternehmen mit welchen umfassenden Dienstleistungen daraus entsteht. Wir von TrostHelden jedenfalls sind mit vielen Anbietern in diesem Bereich ideal vernetzt. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, einen Zusammenschluss zu bilden und ein solches Unternehmen mit Hilfe eines Investors auf den Weg zu bringen, um die Position 1 zu besetzen und zu festigen. Ich suche also Investoren, die in dieses Zukunftsprojekt mit einsteigen möchten.

               

Wir vermitteln Trauerfreundschaften, damit sich Trauernde wie du gegenseitig finden und helfen können

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