"Ich fühlte mich komplett allein"
Wo hast du dir nach dem Tod von Marco Hilfe geholt?
Nach seinem Tod lag ich völlig einsam im Bett, fühlte mich komplett allein, auch wenn man natürlich Freunde und Bekannte hat. Es ist ja etwas weggestorben von mir selbst. Ich war so verzweifelt. Da habe ich gegoogelt und bin auf die „Verwaisten Eltern“ gestoßen. Dort bekam ich rasch einen Termin für ein Einzelgespräch. Das hat mir meine erste Ohnmacht genommen, das war sehr, sehr gut. Zudem bietet die Organisation einmal pro Monat eine Gruppensitzung an. Doch das reichte mir alles nicht. Ich sprach deshalb auch mit einer Therapeutin. Aber sie hatte nicht diese Erfahrung, wie es sich anfühlt, ein Kind zu verlieren. In meinen Augen ist es sehr wichtig, sich jemanden Gleichgesinnten mit der gleichen Erfahrung zu suchen.
So kamst du auf TrostHelden …
Ich habe bei Google die Begriffe „Trauer“ und „Einsamkeit“ eingegeben. Und da erschien TrostHelden. Ich habe mich durchgeklickt, habe den Fragebogen ausgefüllt. Und sofort kamen die ersten Trauerfreundinnen-Vorschläge. Ich habe zwei Frauen angeschrieben. Beide haben mir auch geantwortet. Zu einer von ihnen hatte ich sofort einen Draht. Sie hatte ihren Sohn ebenfalls durch Medikamentenmissbrauch verloren. Wir haben beide das gleiche Alter, unsere Söhne hatten das gleiche Alter … Der Algorithmus bei TrostHelden funktioniert.
Wie oft habt ihr euch geschrieben?
Am Anfang haben wir uns zweimal die Woche sehr lange Texte geschrieben. Später häufiger. Und diese Nachrichten haben wir jeweils Schritt für Schritt, Frage für Frage, Thema für Thema beantwortet.
"Das kann man nicht aushalten"
Was hat dieser intensive Austausch bei dir bewirkt?
Ich hatte das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Weil ich meine Trauer mit jemandem teilen konnte, der genau das Gleiche empfindet und Verständnis zeigt. Mein Freund sagte zu mir: ,Schatz, knips doch einfach mal deinen Kopf aus.’ Aber das geht nicht. Meine Trauerfreundin hat das sofort verstanden. Sie wusste genau, wovon ich spreche. Dieses nie wieder sehen, nie wieder zusammen lachen können, nie wieder eine Nachricht bekommen – dieses nie, nie, nie wieder, das kann man nicht aushalten.
Die Realität ist unerträglich.
Es ist so schlimm, die Wirklichkeit zu sehen. Die Sterbeurkunde, die du in den Händen hältst. Die Trauerkarte, die du schreibst. Den Text auf dem Grabstein, den du formulierst. Wenn du das knallhart schwarz auf weiß vor Augen hast, ist es nicht auszuhalten. Immer, wenn ich den Namen meines Sohnes gesehen habe, dachte ich: Der Name gehört da nicht hin, das ist falsch. Da irrt sich jemand. Und meiner Trauerfreundin ging es genauso. Deshalb ist es so gut, dass ich mich mit ihr austauschen kann. Was wir erleben, ist eine Achterbahnfahrt von der ganz schlimmen Sorte. Aber wir beide hatten das Gefühl: Wir sind es, wir können einander in dieser schlimmen Situation unterstützen.
Das perfekte Match sozusagen?
Ja, wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Sie hat auch den gleichen Humor. Das ist wunderbar. Ich hatte dann entschieden, dass ich selbst niemand anderen mehr anschreibe bei Trosthelden. Es ist nicht gut, wenn man mit zu vielen Menschen über das Thema spricht, denke ich.